Barock
Joseph-Hector Fiocco: «Salve Regina» & Petits Motets
Gut bekannt ist der Glanz der franko-flämischen Musikszene, die zur Zeit der Renaissance von aufgeklärten (und prestigesüchtigen!) Herrschern wie den Herzögen von Burgund oder den spanisch-deutschen Kaisern verwöhnt wurde, die – gleichzeitig mit dem Aufkommen des Buchdrucks – «Universalgenies» wie Guillaume Dufay, Adrien Willaert oder Roland de Lassus förderten. Weniger bekannt ist das Erbe der Musiker, die im frühen 18. Jahrhundert in Brüssel oder Antwerpen tätig waren. Das belgische Ensemble Scherzi Musicali, das seit mehr als 15 Jahren als Sonderbotschafter der Musik aus den südlichen Niederlanden (einer Region, die das heutige Belgien und einige nordfranzösische Städte umfasst) unterwegs ist, bietet uns mit dem Sakralwerk von Joseph-Hector Fiocco eine überzeugende Nachhilfelektion an. Fiocco? Ein Name, der heute kaum jemandem noch etwas sagt, ausser vielleicht den Geigenlernenden, die man gerne das berühmte Allegro als erstes Bravourstück spielen lässt – eines der wenigen nicht-sakralen Werke, die dieser wissbegierige Mann, der auch als Geigenbauer sowie Latein- und Griechischlehrer tätig war, geschrieben hat. Als Sohn eines brillanten italienischen Kapellmeisters, den der musikbegeisterte Generalstatthalter Maximilian II. Emanuel von Bayern nach Brüssel berufen hatte, trat er zunächst in die Fussstapfen seines Vaters und dann in die seines älteren Bruders Jean-Joseph, bevor er sich auf eigene Füsse stellte, zunächst als Kapellmeister der Kathedrale von Antwerpen, dann als Kapellmeister der Stiftskirche Saints-Michel-et-Gudule in Brüssel, wo er auch – wie zur gleichen Zeit ein gewisser Johann Sebastian Bach in Leipzig – für die Ausbildung und den Alltag der Chorknaben zuständig war. Er starb im Alter von 38 Jahren und hinterliess ein kleines eigenständiges Werk, das Motetten, Messen und «Leçons de ténèbres» umfasst. Es verdankt Vivaldi ebenso viel wie Couperin – ein überraschender Spagat! – und dürfte die Zuhörerinnen und Zuhörer des Concert Spirituel lange nach Fioccos Tod glücklich machen.
Nicolas Achten, Bariton, Theorbe & Leitung
Wei-Lian Huang, Edilsa Samanez, Sopran
Andrea Gavagnin, Alt
Pierre Derhet, Maxime Melnik, Tenor
© Francis Delaby